Aktuelle Veröffentlichung von Solitaire Advisory zum bevorstehenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) im Unternehmermagazin des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW):
"Stolperfalle Lieferkette", Seite 22, in "Der Mittelstand", 02/2022, veröffentlicht am 01.04.2022
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – Gesetz mit langem Namen und schwerwiegenden Folgen für die Exportnation Deutschland
Die Missachtung von örtlichen Gesetzen zu Kinderarbeit, Menschenrechten oder Umweltschutz ist strafbar, egal ob in China, Pakistan oder Kenia. Dennoch geschehen solche Verstöße immer wieder und können künftig die Reputation und Bilanzen von Mittelständlern aus Deutschland nachhaltiger beschädigen. Insbesondere, wenn diese direkt oder indirekt über Zulieferer in Verbindung gebracht werden können. Möglich macht das die Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, kurz „LkSG“, das am 1. Januar 2023 in Kraft treten wird.
In einer global vernetzten Wirtschaft sind die Lieferketten für Produkte und Dienstleistungen über die gesamte Welt verknüpft und beginnen häufig in Schwellen- und Entwicklungsländern. Dabei kommen folgende Szenarien regelmäßig vor: Private Sicherheitsdienste, die die lokale Bevölkerung drangsalieren. Plantagen, die Arbeitskräfte über einen Arbeitsvermittler beziehen und schlechte Löhne bezahlen, dafür aber überdurchschnittlich lange Arbeitszeiten fordern. Fabriken, die es mit den örtlichen Vorschriften für Umweltmanagement und Arbeitssicherheit nicht ganz so genau nehmen und entstandenen Schaden durch Schmiergelder unter den Teppich kehren.
Dr. André Ufer, Senior Advisor bei Solitaire Advisory, einem auf Sicherheitsdienstleistungen und Lieferketten spezialisierten Beratungsunternehmen, kennt die Umstände in Entwicklungsländern vor Ort seit mehr als 15 Jahren: „Wenn Sie als lokaler Hersteller irgendeine Vorschrift nicht einhalten wollen, ist das in der Regel nur eine Frage der richtigen Kontakte und finanziellen Zuwendungen. Wenn sich dann solche Rechtsverletzungen noch außerhalb der Hauptstadt zutragen, ist das von außen kaum durchschaubar.“ Ein Beispiel nennt der Lieferkettenexperte aus der Metallindustrie: „Viele Hersteller von Elektronikprodukten beziehen Koltan aus Uganda oder Ruanda; beides Länder, die in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten als relativ sicher gelten. Wenn Sie aber mal die Grenzregionen dieser Länder zum Kongo besuchen, sehen Sie jede Menge LKWs, die mit Koltan aus dem großen Nachbarland beladen sind. Die gehören chinesischen Händlern, die das Metall dort auch aus den Konfliktregionen einkaufen, wo es den immer wieder ausbrechenden Bürgerkrieg im Osten Kongos mitfinanziert. In Uganda wird es dann mit dem ‚sauberen‘ Koltan vermischt. Europäische Einkäufer glauben, mit ugandischem Metall alles richtig gemacht zu haben, stehen dabei aber unbewusst zwischen politischen Konfliktlinien.“
Ab 2023 kann sich die Situation für viele deutsche Unternehmen massiv verschärfen: Das LkSG kann sie für soziale oder ökologische Missstände zur Rechenschaft ziehen. Dabei haben heute weit über 100.000 deutsche Mittelständler im Ausland investiert, davon knapp 30 Prozent in potentiellen Risikogebieten wie China, Afrika, Lateinamerika oder den asiatischen Schwellenländern. Pikant: obwohl China einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands ist, sind die Zustände, insbesondere bezogen auf Arbeitsrechte und Arbeitssicherheit, kaum besser oder sogar schlechter als in Afrika, so Lieferkettenexperte Ufer. Mehrfach hat er in afrikanischen Ländern Gruppen chinesischer Arbeiter getroffen, die froh waren, eine Zeit lang dort arbeiten und die chinesischen Fabriken hinter sich lassen zu können.
Und genau hier liegt ein aussichtsreiches wie attraktives Betätigungsfeld für verschiedenste Aktivistenorganisationen und NGOs. Das Gesetz greift ab 2023 zwar erst für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern, und ab dem 2024 auch für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern. Allerdings werden sich auch kleinere Firmen dem Gesetz nur schwerlich entziehen können, zumindest, wenn sie größeren Unternehmen zuliefern. Es gilt als sicher, dass Großunternehmen ihre Verpflichtung aus dem LkSG an ihre jeweiligen Zulieferer weitergeben werden. Und damit würde sich die Zahl der von dem Gesetz betroffenen Firmen deutlich erhöhen. Aufgrund ihrer risikobehafteten Lieferketten wären insbesondere mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Elektronik, Nahrungsmittel, Metalle/metallhaltige Komponenten, Maschinenbau und Textilien betroffen. Beispielsweise die Süßwarenhersteller: Deutschland ist mit einer Menge von 460.000 Tonnen/Jahr einer der größten Kakaoimporteure weltweit. Die Hauptlieferländer sind die Elfenbeinküste, Ghana und Nigeria. Es ist kaum davon auszugehen, dass die erwähnten NGOs dort keine Fälle von möglicher Kinderarbeit, schlechter Bezahlung oder negativer Umweltauswirkungen finden werden. André Ufer: „Überall in Afrika sind Kinder gezwungen, mit ihrer Arbeit ihre Familien finanziell zu unterstützen. Hier eine Verbindung zu Exporten nach Deutschland zu konstruieren, ist recht einfach, auch wenn dies faktisch nicht den Tatsachen entsprechen würde“. Eines ist klar: Für zahlreiche NGOs ist dies ein lohnendes Geschäftsmodell, schließlich winken öffentliche Fördergelder, Aufträge zur Implementierung von Überwachungsmechanismen, sowie politischer Einfluss, wenn nur genug aufgedeckt wird.
Neben den Haftungsrisiken existieren auch schwerwiegende Reputationsrisiken. So wurde beispielsweise durch die europäische Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) im September 2021 Strafanzeige gegen mehrere namhafte deutsche Unternehmen (u.a. Hugo Boss und Lidl) gestellt. Der Vorwurf: sie beziehen Baumwolle und Baumwollprodukte aus China , die durch von Uiguren geleistete Zwangsarbeit hergestellt werden würde. Während die Beweislage noch dürftig ist, hat sich eine ganze Reihe von europäischen Firmen in Folge dazu bekannt, sich aus der Region vollständig zurückzuziehen. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die deutschen Firmen eine strenge Policy gegen offensichtliche Zwangsarbeit hatten, so ist das im Sumpf intransparenter Verstrickungen vor Ort ganz offensichtlich nicht ausreichend. „Umso wichtiger ist die Anwesenheit und Kontrolle vor Ort“, so Experte Ufer.
„So unangenehm die Aufgabe ist, die auf die Unternehmen zukommen wird, so unausweichlich ist sie“, sagt Dr. Christoph Eichel, Geschäftsführer von Solitaire Advisory. Schließlich werden sie ihre Lieferketten aufrollen und damit einer Art Inventur unterziehen müssen. Eine Lieferketteninventur kann bedeuten, die zunehmend wichtiger werdenden ESG-Prinzipien (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) wirklich anzuwenden und zu leben. So kann ein Zuliefereraudit beispielsweise mangelnde Qualitätskontrollsysteme aufdecken, die früher oder später zu unzureichenden und fehlerhaften Produkten führen könnte. Zusätzlich haben Unternehmen im Rahmen der Anpassung an das LkSG die Chance, eine starke Position in Zeiten erhöhter rechtlicher Anforderungen und ebensolcher Ansprüche der Konsumenten und der Öffentlichkeit aufzubauen. Zudem gilt, dass Zulieferer, die sich möglichst sozial- und umweltkonform positionieren, ihren Kunden mögliche Sorgen abnehmen, und sich so gegenüber weniger konformen Wettbewerbern abheben können.
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